Volksbühne Maintal

Ihr Theater in unserer Stadt

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Aufführung in Maintal Wachenbuchen

Mittwoch, 29. März 2023, Maintal Tagesanzeiger / Maintal
Sa­ti­re um töd­li­ches Nasch­werk

Wa­chen­bü­cher Welt­bühn­chen spielt Wil­des Kri­mi­nal­ko­mö­die „Lord Ar­thurs Ver­bre­chen“

VON UL­RI­KE PONG­RATZ

Lord Arthur  „Vorhersagen geschluckt wie rosa Pillen“: Der Chiromantist Podgers liest aus den Handlinien und sagt einen Mord voraus. Daraus entspinnt sich eine irrwitzige und unterhaltsame Gesellschaftssatire. Foto: ULRIKE PONGRATZ
 

Main­tal – Nun also ein Kos­tüm­stück, eine Ko­mö­die, eine Kri­mi­nal­sa­ti­re. Nach „Netz­welt“ und „Das Schwei­gen der Ster­ne“ ent­führt das En­sem­ble des Wa­chen­bü­cher Welt­bühn­chens die Zu­schau­er in die Welt der bri­ti­schen „Upper-Class“ Ende des 19. Jahr­hun­derts. Die Kri­mi­nal­ko­mö­die „Lord Ar­thurs Ver­bre­chen“ von Oscar Wilde wurde im aus­ver­kauf­ten Ge­mein­de­haus Wa­chen­bu­chen be­geis­tert auf­ge­nom­men. Re­gis­seur Chris Goy hat das Stück etwa um die Hälf­te ge­kürzt, und diese Straf­fung hat gut­ge­tan.
Das Büh­nen­bild ist ohne Far­ben in Schwarz-Weiß ge­hal­ten; vor die­sem Hin­ter­grund heben sich die far­ben­fro­hen, his­to­ri­schen Kos­tü­me, ins­be­son­de­re die Klei­der der Frau­en, umso präch­ti­ger ab. Die Far­ben der Kos­tü­me, die fein auf­ein­an­der ab­ge­stimmt sind, geben zudem einen Fin­ger­zeig auf Stim­mung und Hand­lungs­ver­lauf.
Die Hand­lung spielt im Salon von Sir Ar­thur Sa­vi­le, gro­ß­ar­tig dar­ge­stellt von Ju­li­an Kör­ner-Schu­chardt. Dem nai­ven, ein wenig ver­snob­ten Ade­li­gen zur Seite steht But­ler Bai­nes. Jens-Peter Wulf spielt den ver­läss­li­chen wie hin­ter­lis­ti­gen Bai­nes aus­drucks­voll. Dem ste­hen Ka­tha­ri­na Spies als Ver­lob­te Sibyl Mer­tens, He­le­ne Schadt-Przylas als Lady Julia und Si­byls Mut­ter sowie Sa­bi­ne Wulf als Lady Cle­men­ti­na in nichts nach.
Große Hei­ter­keit im Pu­bli­kum lös­ten die Auf­trit­te von Frank Ull­rich und Jo­chen Tho­mas aus. Ull­rich steht in der Rolle des zer­streu­ten De­kans von Pad­ding­ton und als Onkel Ar­thur auf der Bühne, wäh­rend Tho­mas als Fre­de­rick H. Win­kel­kopf die Rolle eines deut­schen An­ar­chis­ten zu­fällt. Last, but not least über­zeugt Rah­man Go­ma­vi als Chi­ro­man­tist, als Hand­li­ni­en-Leser, bei sei­nem Debüt.
Wäh­rend das ver­lieb­te Paar Ar­thur und Sibyl sei­ner Hoch­zeit ent­ge­gen­fie­bert, arg­wöhnt Mut­ter Lady Julia böse Ab­sich­ten. Sie will das Schick­sal ihrer ein­zi­gen Toch­ter nicht dem Zu­fall über­las­sen. Der be­rühm­te Chi­ro­man­tist Pod­gers soll aus der Hand die Zu­kunft vor­her­sa­gen. Die­sem gibt Lord Ar­thur nach ei­ni­gem Drän­gen preis, er werde einen Mord be­ge­hen. Es sei seine Pflicht, den Mord vor der Ehe zu be­ge­hen, schluss­fol­gert der junge Lord, denn nur so würde er ver­hin­dern, dass er wäh­rend der Ehe zum Mör­der würde. Mit Un­ter­stüt­zung sei­nes But­lers und unter Ein­mi­schung des An­ar­chis­ten Win­kel­kopf soll also vor der Hoch­zeit ge­mor­det wer­den. Nach ei­ni­gem Hin und Her er­schei­nen Lady Cle­men­ti­na und Dekan Pad­ding­ton als die ge­eig­ne­ten Opfer für die­ses Vor­ha­ben.
Aus die­ser irr­wit­zi­gen Kon­stel­la­ti­on ent­wi­ckelt sich mit gro­ß­ar­ti­gem Wort­witz und eng­li­schem Humor eine ra­san­te und un­ter­halt­sa­me Ge­sell­schafts­sa­ti­re, die das Pu­bli­kum immer wie­der zum La­chen bringt.
Als Hel­fer in der Not hält der deut­sche An­ar­chist die Span­nung hoch, denn seine Pläne, die letzt­lich schei­tern, brin­gen selbst Lord Ar­thur und Sibyl in Ge­fahr. Doch zu­erst plant But­ler Bai­nes, Lady Cle­men­ti­na mit einer lieb­lich ro­sa­ro­ten Pra­li­ne zu ver­gif­ten. Ver­steckt in einer Prä­sent­box unter dem teu­ers­ten Nasch­werk der Stadt, wan­dern die Sü­ßig­kei­ten unter den un­er­war­te­ten Gäs­ten von Hand zu Hand. Ei­ni­ge grei­fen be­herzt zu – und das Pu­bli­kum hält den Atem an, als die Ver­lob­te Sibyl auf die rosa Pra­li­ne zu­greift.
In der Pause bie­tet das En­sem­ble hand­ge­mach­te, sehr le­cke­re Pra­li­nés an – mit­ten drin eine ro­sa­far­be­ne Sü­ßig­keit. Die Gäste spie­len mit und kau­fen die Mit­bring­sel gerne für ihre Liebs­ten zu Hause.
In der Ko­mö­die „Lord Ar­thurs Ver­bre­chen“ hält Oscar Wilde der fei­nen bri­ti­schen Ge­sell­schaft den Spie­gel vor: ihren Sno­bis­mus, ihre Ex­zen­trik, ihr Pflicht­be­wusst­sein. Das Fest­hal­ten an Kon­ven­tio­nen, das Hin­neh­men des vor­be­stimm­ten Schick­sals -– hier spielt das Büh­nen­bild mit vor­ge­zeich­ne­ten Schat­ten an der Wand – wird ad ab­sur­dum ge­führt und auf die Spit­ze ge­trie­ben, wenn sich die Prot­ago­nis­ten höf­lich –und ohne jeg­li­che mo­ra­li­sche Wer­tung – über Mord­pla­nun­gen un­ter­hal­ten.
Wil­des Stück bleibt unter vie­len As­pek­ten zeit­los. Die Vor­her­sa­gen und Vi­sio­nen des be­trü­ge­ri­schen Chi­ro­man­tis­ten wer­den nicht hin­ter­fragt. „Vor­her­sa­gen wer­den ge­schluckt wie rosa Pil­len“, schreibt Re­gis­seur Goy. „Die af­fek­tier­ten Ver­hal­tens­wei­sen las­sen sich heute wie­der­erken­nen. Alles muss exo­tisch und un­ge­wöhn­lich sein. Jeder lebt in sei­ner klei­nen Blase und ver­steht alles auf sich selbst be­zo­gen.“
Tat­säch­lich kommt auch diese Kri­mi­ko­mö­die nicht ohne einen Toten aus – aber wer wie zu Tode kommt, das wird hier nicht ver­ra­ten.

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